Reflexionen

Lebensklugheit und Heiterkeit – Barbara Schnitzler über Rainer Maria Rilke im historischen „U“

Am 18.11.23 gab sich die große, lebenskluge und weitgebildete Schauspielerin Barbara Schnitzler auf Einladung des Musikvereins Pasewalk die Ehre mit einem bemerkenswerten Rilke-Abend.

Ein klug gewählter Querschnitt über das literarische Schaffen und das Leben Rainer Maria Rilkes, in den Pausen zwischen den Abschnitten durch Michael Abramovichs Auszüge aus Chopins Préludes musikalisch etwas kraftvoll und parforceartig kontrastiert unterlegt, hatte zahlreiche Interessierte an Vortragender und Sujet angezogen und sichtlich begeistert.

Die Auswahl reichte von den Dinggedichten („Blaue Hortensie“) über Auszüge aus dem Roman „Malte Laurids Brigge“, fast surrealen Exkursen über das Wechseln des eigenen Gesichtes, Sinnieren über den Tod und die ironisch kommentierte übermäßige Anwesenheit von Deutschen in touristischen Orten (auch heute noch aktuell) bis hin zu den maximal verrätselten Elegien (das Publikum wurde gewarnt / getröstet ob der absehbaren Unverständlichkeit). Barbara Schnitzler hat die Zuhörer durch alle gewählten Teile des Vortrags hindurch gefesselt und fasziniert. Überdies wurde das Interesse an Rilkes Lyrik entfacht und dem Werk eines nicht einfachen, aber weittragenden Autors großer Respekt gezollt. Ein großer und souveräner Abend. (Bodo Weih)

Eine Nacht voller musikalischer Brillanz und Emotionen – Konzert am 29.10.23

Das Eröffnungskonzert des Musikvereins Pasewalk am 29. Oktober 2023 war zweifellos ein musikalisches Highlight, das die Zuhörer in seinen Bann zog. Die Auswahl der Werke von Haydn, Penderecki und Brahms war nicht nur anspruchsvoll, sondern auch fesselnd interpretiert von den Künstlern.

Die Quartette von Joseph Haydn aus Opus 20 wurden in einem neuen Licht präsentiert, das dem Komponisten gerecht wurde. Haydn zeigte hier seine Fähigkeit, die musikalische Sprache seiner Zeit zu prägen. Besonders beeindruckend war die Doppelfuge im letzten Satz, die bereits auf die Moderne hinwies. Die vier Musiker des Meccore String Quartets agierten wie vier Solisten, die in perfekter Harmonie miteinander spielten. Die Präzision und Frische in ihren Bogenansätzen sowie die akzentuierte Transparenz in allen Lagen machten die Aufführung zu einem wahren Genuss. Vergangene Einspielungen von Streichquartetten wurden an diesem Abend in den Schatten gestellt.

Krzysztof Penderecki’s Quartett Nr. 3, das nicht unbedingt zum Standardrepertoire auf westlichen Bühnen gehört, erwies sich als ein Werk von großer kompositorischer Tiefe und internationaler Bedeutung. Die musikalische Reise durch klassische Allegropassagen, dicht-dramatische Bilder und tröstliche Melodiebögen war fesselnd und ließ das Publikum das „ungeschriebene Tagebuch“ des Komponisten erleben. Die Interpretation des Quartetts vermittelte das bewegte Innenleben einer tief erlebenden Seele auf eindrucksvolle Weise.

Johannes Brahms‘ Werk rundete den Abend ab und übertraf in seiner virtuosen rhythmischen Melodieführung und der grandiosen Breite der musikalischen Darbietung fast die Grenzen der Kammermusik. Der Andantesatz könnte auch von einem Orchester aufgeführt werden, während das Scherzo und das Finale mit ihrer synkopischen Vertracktheit und ihrer musikalischen Breite faszinierten. Die Leidenschaft für Roma-Musik, die oft in Brahms‘ Kompositionen zum Vorschein kommt, erstrahlte im Finale. Die Musiker interpretierten das Werk mit höchster Präzision und Transparenz aller Stimmen, was zu einem starken Applaus des Publikums führte.

Der Musikverein Pasewalk hat erneut bewiesen, dass er nicht nur herausragende musikalische Abende organisieren kann, sondern auch in der Lage ist, tiefe emotionale Eindrücke bei seinem Publikum zu hinterlassen. Dieses Konzert wird zweifellos in den Herzen der Zuhörer noch lange nachklingen. (Bodo Weih)